Das Schloss wie der Saal wurde 1736 erbaut im Stil des Rokoko. Unter Rokoko versteht man die Epoche der europäischen Kunst des 18. Jahrhunderts, die vom Barock ausgeht und vom Klassizismus abgelöst wird.

Die Stilbezeichnung Rokoko geht von der typischen Ornamentform der „Rocaille" aus, dem französischen Wort für Grotten- oder Muschelwerk. Das Rokoko, dessen Blütezeit zwischen 1730 und 1770 lag, nahm von Frankreich seinen Ausgang. Es entwickelte keine allgemeinverbindliche künstlerische Theorie, sondern äußerte sich vielmehr überwiegend auf dem Gebiet der Ornamentik und der Dekoration. Diese Dekoration nimmt mit spielerischer Leichtigkeit die verschiedensten Elemente auf.

Es lassen sich einige Charakterzüge aufzeigen, die bei zahlreichen Kunstwerken auftreten und auf die stilistische Einheit hinweisen: das Rokoko war ein Spätstil, der sich durch die Vorliebe für Eleganz, heitere Sinnlichkeit, Farbgeschmack, handwerkliche Virtuosität, Leichtigkeit, Helligkeit, Beschwingtheit, spielerische Grazilität auszeichnet. Artistische Formauflösung, Zusammenfassung des scheinbar Unvereinbaren, Ornamentfreude, die Vorliebe für Bizarres, Phantastisches, Exotisches, für malerische Wirkungen, sind weitere Charakterzüge dieses Stils.

Der Vergleich von Werken des Rokoko mit solchen des vorhergehenden Barock ist aufschlussreich. Während der Barock nach imposanten Wirkungen strebte und Werke hervorbrachte, die mit den Begriffen majestätisch, glorreich, rhetorisch bezeichnet werden können, schätzte das Rokoko subtilere Wirkungen. Diese Unterschiede betreffen den gesamten Stil. Während zum Beispiel der Barock im Tanz das gravitätische Schreiten bevorzugt, liebt das Rokoko den ländlichen Reigen, der Barock fordert Würde, das Rokoko bevorzugt Leichtigkeit.

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Blick ins Jahr 1936 auf den Originalzustand des Saals vor Plünderung und Umgestaltung des Schlosses in eine landwirtschaftliche Berufsfachschule. Unten: heutiger Zustand nach Sanierung.

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Die bemerkenswerte aufwändige Rokoko-Stuckdecke von ca. 1740 ist typisch für die Zeit. Das Rokoko begann als Dekorationsstil, der sich aus dem strukturellen Korsett des Hochbarock befreite. Es schmücke zunächst nur den Innenraum, den es vollends mit einem zarten Gespinst von Stuckfiligran überzog. Die Rokoko-Stuckdecke wurde im August 2004 aufwendig saniert. > Exkurs zur Sanierung der Rokoko-Stuckdecke

Beliebt war auch die Enfilade, d.h. die Zimmerflucht durch die repräsentativen Salons. Sie ist noch heute erhalten.

Charakteristische Elemente des Rokoko sind ferner die Wandaufteilung mittels Panneau, Spiegel und Supraporte sowie die Deckengestaltung durch Voute und Plafond. Sie dienten häufig dazu, die Trennung von Wand und Decke zu überspielen oder den Raum illusionistisch zu erweitern. Als Rahmenmotive fungierten Kartusche und Lambrequin, vor allem aber das Muschelwerk, das in der Form der auch im Gartensaal sichtbaren Rocaille seinen Siegeszug antreten sollte.

Die im Inventarverzeichnis von 1743 erwähnten Supraporte waren üblicherweise aus Stuck, doch kann auch der Türrahmen hinaufgezogen und beschnitzt gewesen sein. Die Supraporten sind möglicherweise bereits 1841 beim Umbau des Schlosses entfernt worden. Im Speisesaal war bis 1946 eine geschnitzte Supraporte aus der Barockzeit erhalten, die ein Stilebene-Ölgemälde einrahmte. Die heutigen Flügeltüren, die alle Säle des Erdgeschosses verbinden, stammen aus der Zeit des Schlossumbaus um 1841. Im Obergeschoss sind die originalen Türen aus der Rokokozeit erhalten.

Die Möbel bildeten im Spätbarock und im Rokoko eine Einheit mit dem Raum und passten sich diesem in Form und Gestaltung an. Zu der bemerkenswerten Einrichtung des Saals gehörte:

  • eine weiß gelackte Rokoko-Vitrine mit vergoldeten Rocaillen - passend zur Stuckdecke

  • der bronzene, reich verzierte Rokoko-Deckenleuchter,

  • die beiden großen, reich verzierten, vergoldeten Wandspiegel mit Konsolen,

  • die vergoldeten und gepolsterten Rokoko-Stühle - im Vordergrund 2. von links ist einer zu erkennen, die übrigen standen damals im Kabinett.

Die Möbel sind verschollen - ebenso wie das übrige Möbelinventar des Schlosses. Sie wurden im Jahr 1946 zum größten Teil in die Sowjetunion verschleppt.

Als der Begriff "Rokoko" um 1836 aufkam, hatte er eine negative Bedeutung. Einem klassizistisch geschulten Geschmack erschienen die Dekorationen des eleganten und heiteren Rokoko übertrieben und frivol. Das Angern'sche Schloss und damit der Saal wurde 1843 von Edo und Helene Schulenburg im Stil des Klassizismus umgebaut - ein Schicksal, das viele Barockschlösser teilten.

Aus dieser Zeit stammen die auf dem unteren Bild dargestellten Ölgemälde, die Türen sowie das heute noch erhaltene Tafelparkett, das allerdings bedingt durch Abnutzung sein Eichefurnier verloren hat.