Burg Angern
Die um 1341 gegründete Burg Angern bewahrt in seltener Geschlossenheit die originale Bau-, Erschließungs- und Verteidigungsstruktur einer hochmittelalterlichen Wasserburg.

Bestand und räumliche Struktur: Südlich an den erhaltenen Bergfried der Südinsel von Burg Angern schließt ein zweiteiliger Tonnengewölbekomplex an. Die Anlage besteht aus einer nördlichen Tonne, die in Ost-West-Richtung verläuft, und einer südlichen Tonne, deren Achse nach Nord-Süd ausgerichtet ist. Beide Gewölberäume sind funktional miteinander verbunden, wobei die nördliche Tonne direkt mit dem Wehrturm kommuniziert.

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Schacht aus dem nördlichen Gewölbekeller zum zugeschütteten Innenhof

Bauweise: Das Mauerwerk des Komplexes besteht aus grob bearbeiteten, sorgfältig gesetzten Bruchsteinen, deren Verarbeitung typisch für hochmittelalterliche Wirtschaftsbauten im norddeutschen Raum ist. Die Gewölbe sind als einfache Tonnen ohne Gurte oder Rippen ausgeführt, eine Bauweise, die auf reine Funktionalität ohne repräsentative Ansprüche hinweist. Belichtung und Belüftung erfolgten über kleine Öffnungen an der Ostseite, die zum Wassergraben ausgerichtet sind und damit eine minimale Angriffsmöglichkeit von außen boten.

Das südliche Tonnengewölbe des Nebengebäudes zum Bergfried auf der südlichen Turminsel der Burg Angern setzte die Kellerstruktur nach Süden fort. Aufgrund seiner Erschließung und Form dürfte er als Vorrats- oder Lagerraum gedient haben, eine Nutzung, die für wasserburgtypische Wirtschaftszonen im 14. Jahrhundert charakteristisch ist (vgl. Burg Lenzen, Lütkens 2011). Der Raum hat eine Länge von 6,66 Metern, eine Breite von 2,90 Metern und eine Höhe von 2,66 Metern. 

Die Gewölbekammer zeigt eine deutliche Schichtung: Während die Stirnwand aus älterem Feldstein-Ziegel-Mauerwerk besteht – möglicherweise Überreste eines mittelalterlichen Kellers oder Fundamentbaus – wurde das eigentliche Gewölbe in einer flach gespannten Tonne mit gleichmäßigem Backsteinverband neu aufgemauert. Die Ziegel der Gewölbedecke stammen aus handgestrichener Herstellung und weisen die typischen Merkmale des 18. Jahrhunderts auf, wie unregelmäßige Maße, weiche Kanten und individuelle Brennfarbtöne. Diese baulichen Merkmale stimmen mit einer Quelle aus dem Jahr 1737 überein, in der von einem Fehlbau beim barocken Schlossneubau berichtet wird:

„[…] da der Maurermeister das Haus 1 Fuß 4 1/2 Zoll tiefer gebauet […] der Hof vor dem Haus verniedriget werden muß, wodurch das Turmgewölbe nebst dem dabei stehenden Keller eingebrochen und verschüttet werden muß […]“ (Gutsarchiv Angern, Rep. H Nr. 336, Nr. 1, Bericht vom 16. September 1737)

In einem nachfolgenden Bericht wird der Wiederaufbau explizit erwähnt:

„[…] die Gewölbe können konserviert werden, […] daß man die Decke […] ganz wieder neu schlüge und solche niedriger mache […]“ (ebd., Nr. 4, 18. November 1737)

Eine heute noch vorhandene Stufe von etwa 38 cm zwischen dem südlichen Tonnengewölbe und dem anschließenden Keller des barocken Hauptgebäudes bestätigt eindrücklich den in der Quelle von 1737 überlieferten Baufehler, bei dem das Haus „1 Fuß 4 ½ Zoll tiefer gebauet“ worden war – ein selten präzise nachvollziehbarer Fall historischer Baupraxis und ihrer materiellen Spuren. Diese Quellenlage sowie der bauliche Befund sprechen dafür, dass das heute sichtbare südliche Gewölbe nicht mehr das mittelalterliche Original ist, sondern eine barocke Wiederherstellung auf reduzierter Höhe – möglicherweise unter Einbeziehung älterer Wandteile. In seiner heutigen Funktion bildet es einen integralen Bestandteil des Ostflügels, wurde jedoch ursprünglich als selbstständiger Raum neben dem Bergfried angelegt.

Der am 9. November 1738 vermerkte Fund „einer Menge Steine“ bei der Einbrechung des Gewölbes (Gutsarchiv Angern, Rep. H Nr. 336, Nr. 20) bestätigt eindeutig den Verlust der Decke des Nebengebäudes sowie des ursprünglichen Turmkellers, der vermutlich zur mittelalterlichen Kernstruktur der Burg gehörte und infolge des dokumentierten Baufehlers abgesenkt werden musste. Die heute erhaltene Gewölbestruktur wurde nach 1738 im Zuge des barocken Neubaus flacher und auf reduziertem Niveau neu errichtet – mit einer bis heute nachvollziehbaren Stufe zum tiefer gesetzten barocken Hauptbau. Die Trümmer des eingestürzten Gewölbes wurden dabei nicht ungenutzt belassen, sondern gezielt weiterverwendet:

„[…] daß bei Einbrechung der Gewölbe sich eine Menge Steine gefunden, die man fast nicht zu lassen gewußt, annoch die Mauer im Garten hinter den Bauernhäusern entlängs davon gefertiget worden, welches dem Garten eine angenehme Zierde gibt […]“ (ebd.).

Der Raum dokumentiert damit eindrücklich die Transformationsprozesse auf der Turminsel: von der hochmittelalterlichen Kernstruktur über die barocke Einfassung bis zur späteren Umnutzung in der Gutswirtschaft. Besonders bemerkenswert ist, dass sich hier archivalische Bauüberlieferung und baulicher Befund punktgenau decken – ein seltener Glücksfall der Baugeschichtsforschung.

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Tonnengewölbe 2 im Nebengebäude zum Bergfried mit neuer Gewölbedecke und Brunnen

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Der erhaltene Brunnenschacht in der rückwärtigen Wand des südlichen Tonnengewölbes zeigt, dass dieses Nebengebäude auf der Turminsel nicht nur als Kellerraum diente, sondern vermutlich eine zentrale Versorgungsfunktion hatte – insbesondere in Verbindung mit dem benachbarten Bergfried, der in Belagerungssituationen auf eigene Wasserversorgung angewiesen war. Die bauliche Nähe, die Einbindung in die Gewölbestruktur und die kontinuierliche Funktion des Brunnens bis heute legen nahe, dass es sich um einen original mittelalterlichen Versorgungspunkt handelt, der später in die barocke Überformung integriert wurde. Wenn du möchtest, kann ich daraus eine bauhistorisch fundierte Beschreibung des Versorgungssystems der Turminsel formulieren. In einem Schreiben vom 5. Oktober 1738 wurde ausdrücklich diskutiert, wie der auf der Turminsel gelegene Brunnenschacht architektonisch gestaltet werden solle: Zur Debatte standen ein dauerhafter Brunnenturm und ein offener Ziehbrunnen mit Schucke, wie er bereits im Hof bestand. Die Quelle hält fest: 

„[…] in dem Memoire von Ew. Exz. finde, daß solcher in Form eines Türmchens gemacht werden soll, es sagen auch alle, daß solcher durabler, alleine weilen einer mit einer Schucke zierlicher auf dem Hof stehet […]“. Gutsarchiv Angern Rep. H 336, Nr. 19, abgegangen 5. Okt. 1738

Diese Diskussion legt nahe, dass der Brunnen im Nebengebäude des Bergfrieds nicht vorrangig repräsentativen Zwecken diente, sondern Teil einer funktional ausgerichteten, möglicherweise noch mittelalterlich geprägten Versorgungsarchitektur war.

Der nördliche Tonnenraum im südlichen Nebengebäude auf der Turminsel der Burg Angern diente primär als Verbindungszone zwischen dem Wirtschaftsbereich der Südinsel und dem Wehrturm. Der gewölbte Raum misst 5 × 5 Meter bei einer aktuellen Gewölbehöhe von 4,10 Metern. Mit diesen annähernd kubischen Proportionen übertrifft er deutlich die üblichen Maße einfacher Lager- oder Wirtschaftsräume und weist vielmehr auf eine herausgehobene Funktion innerhalb der mittelalterlichen Gesamtanlage hin. Darüber hinaus ist der Raum durch eine Tür direkt mit dem Bergfried verbunden; eine weitere, heute vermauerte Öffnung deutet auf eine ehemalige Verbindung zur übrigen Turminsel (bzw. dem heute auf die Höhe der Gewölbedecke aufgefüllten Innenhof). Diese baulichen Merkmale sprechen für eine strategisch konzipierte Nutzungseinheit, die Wasserzugang, Vorratslagerung und Rückzugsfunktion in einem gesicherten Baukörper vereinte. Der großzügige Raumschnitt und die solide Gewölbekonstruktion belegen die zentrale Bedeutung dieses Raumes für die Versorgung und Eigenständigkeit der Turmstruktur – sowohl im Alltag als auch im Verteidigungsfall.

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zugemauerte ebenerdige Verbindung zwischen Tonnengewölbe und Turminsel

Die heute vermauerte Tür an der Westseite der nördlichen Tonne könnte auf eine frühere Bau- oder Nutzungsphase hindeuten, in der ein direkter Zugang von der Turminsel bestand. Ihre spätere Schließung – wohl um 1735 – wäre dann möglicherweise eine Folge der barocken Geländeauffüllung des neuen Schlosshofs, bei der der ehemalige Außenbereich der Turminsel bis auf die Höhe der Gewölbedecke angehoben wurde. Dieser Eingriff zog funktionale Umnutzungen sowie den Verlust ursprünglich externer Zugänge nach sich.

Ein weiterer Hinweis auf die funktionale Durchdachtheit des Nebengebäudes auf der Turminsel ergibt sich aus dem schmalen Schacht in der westlichen Wand zur Turminsel, der mit etwa 70 cm Breite beginnt, steil nach oben verläuft und sich auf nur rund 30 cm verjüngt. Seine ungewöhnliche Form und Lage lassen vermuten, dass es sich nicht um eine ursprüngliche Durchgangsöffnung handelt, sondern um einen bewusst angelegten, geschützten Licht- und Luftschacht. Aufgrund seiner Einbindung in das massive Mauerwerk erscheint auch eine vertikale Ausrichtung – etwa als Verbindung zur darüber liegenden Etage des Nebengebäudes – möglich. Vergleichbare Konstruktionen sind aus anderen mittelalterlichen Burgen bekannt, etwa auf der Plattenburg oder der Burg Giebichenstein, wo schachtartige Öffnungen in abgeschotteten Keller- oder Brunnenräumen sowohl der Belichtung, Belüftung als auch der indirekten Kommunikation dienten. Der Befund auf der Turminsel von Angern spricht somit für ein ausgeklügeltes Versorgungssystem innerhalb der Kernburg, das Schutz, Autarkie und minimale Umweltanbindung in einem gesicherten Funktionsraum miteinander verband.

Interpretation und Einordnung: Die räumliche Anordnung der Tonnengewölbe sowie der integrierte, interne Zugang zum Wehrturm sprechen für eine ausgeklügelte Verteidigungs- und Versorgungskonzeption. Der direkte, geschützte Durchgang in den Turm verdeutlicht, dass die Beweglichkeit der Besatzung selbst im Belagerungsfall vollständig gewährleistet blieb, ohne den gefährlichen Außenbereich betreten zu müssen. Der im Raum integrierte Brunnen unterstreicht die gezielte Anlage einer autarken Überlebensstruktur auf der Turminsel. Vergleichbare abgeschlossene Versorgungskerne sind aus hochmittelalterlichen Wasserburgen Norddeutschlands bekannt – etwa auf der Burg Ziesar, wo Wirtschaftsgebäude mit gesicherten Zugängen zu Wehranlagen kombiniert wurden (vgl. Dehio Brandenburg, 2000), oder auf der Burg Tangermünde, wo Brunnenanlagen integraler Bestandteil der inneren Verteidigungszonen waren (vgl. Dehio Sachsen-Anhalt I, 1996).

Bedeutung für die Gesamtanlage: Die Südinsel der Burg Angern bildet mit dem erhaltenen Wehrturm, den angrenzenden Tonnengewölben und dem integrierten Brunnen ein herausragendes Beispiel für die durchdachte Verteidigungs- und Versorgungstechnik hochmittelalterlicher Wasserburgen. Die weitgehende Überlieferung dieser Strukturen ermöglicht die Rekonstruktion eines hochkomplexen Nutzungskonzepts, das auf vollständige Autarkie im Belagerungsfall ausgerichtet war – ein Befund, der im norddeutschen Raum in dieser Geschlossenheit nur selten erhalten ist. Die klare funktionale Gliederung in Bewegungs-, Lager- und Versorgungselemente sowie die geschützte Brunnenanlage belegen, dass die Südinsel nicht nur als Rückzugsort, sondern als eigenständige Lebens- und Verteidigungseinheit innerhalb der Gesamtanlage konzipiert wurde.

Das Gewölbegebäude neben dem Turm

Eine bauliche Besonderheit stellt das zweizonige Tonnengewölbe dar, das unmittelbar an den Bergfried anschließt. Es handelt sich um ein massives Wirtschafts- und Versorgungshaus, das vermutlich Lager-, Küchen- und Brunnenfunktion in sich vereinte. Ein funktionierender Brunnenschacht ist im östlichen Gewölberaum nachgewiesen; über eine sekundäre Maueröffnung war der Zugang zum Erdgeschoss des Turms möglich. Die südliche Tonne wies eine zusätzliche Türöffnung und vermutlich eine Verbindung zum früher offenen Hofraum der Turminsel auf. In vergleichbaren Anlagen wie Beetzendorf oder Kalbe ist eine solche funktionale Kopplung von Gewölberaum, Brunnenschacht und Wehrturm ebenfalls dokumentiert.

Diese doppelte Erschließungsstruktur entsprach einem hochentwickelten Verteidigungskonzept: Während die untere Verbindung als gesicherter Kontrollzugang diente, konnte die obere Brücke im Belagerungsfall rasch entfernt oder zerstört werden, wodurch der Bergfried als eigenständige, verteidigungsfähige Einheit isoliert blieb. Diese Konzeption entspricht dem hochmittelalterlichen Verteidigungsprinzip, kritische Bauwerke nur über gesicherte oder kontrollierte interne Verbindungen zu erschließen. Vergleichbare Lösungen finden sich auch bei anderen Wasserburgen wie Lenzen oder Ziesar, wo ebenfalls indirekte Zugangszonen zur Turmeinheit nachweisbar sind. Ergänzend befand sich im südlichen Tonnengewölbe ein Brunnen, der die autarke Versorgung der Turmeinheit gewährleistete. Die bauliche Verbindung zwischen dem Tonnengewölbe und dem Bergfried unterstreicht die strategisch durchdachte Verteidigungsarchitektur, bei der sowohl verdeckte Bewegungen im Inneren als auch externe Rückzugsoptionen im Ernstfall berücksichtigt wurden.

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Bergfried mit Nebengebäude (historisch ungenaue KI Rekonstruktion)

Im 14. Jahrhundert war die Altmark Schauplatz konkurrierender Herrschaftsansprüche. Die Markgrafen von Brandenburg, das Erzbistum Magdeburg sowie einflussreiche Adelsfamilien wie die von Alvensleben und von Grieben rangen um Besitzrechte, Lehnsbindungen und lokale Machtstellungen. In diesem territorial instabilen Raum stellte die Gründung der Burg Angern eine gezielte Maßnahme der Erzdiözese Magdeburg dar, um ihren Einfluss militärisch abzusichern und administrativ zu konsolidieren. Die Errichtung einer Wasserburg mit deutlich ausgeprägter Wehr- und Wohnfunktion manifestierte die landesherrliche Präsenz vor Ort und fungierte zugleich als sichtbares Machtsymbol gegenüber konkurrierenden Adelsinteressen. Hauptburg Angern Palas, Ringmauer und Wehrgang um 1350
Die Besitzgeschichte der Burg Angern lässt sich ab dem 14. Jahrhundert anhand von Lehnbriefen, Pfandverträgen und erzbischöflichen Urkunden nachvollziehen. Die frühe Geschichte ist dabei durch häufige Besitzerwechsel und konkurrierende Lehnsverhältnisse geprägt, was auf die strategische Bedeutung der Anlage und den politischen Druck auf das Erzstift Magdeburg hinweist. Erstmals wird die Burg im Jahr 1343 als Besitz eines Gerlof von Brunhorcz erwähnt. Im Jahr 1363 erscheint Lüdecke von Grieben als Lehnsträger. Er war kein Angehöriger der hochadeligen Familie von Grieben, sondern ein Vasall, der deren Namen übernommen hatte – ein im Mittelalter verbreitetes Phänomen, um familiäre Zugehörigkeit oder Schutzverhältnisse zu demonstrieren. 1370 sind Lüdecke von Grieben und zwei Söhne des Ritters Jakob von Eichendorf gemeinsam mit Angern belehnt.
Dieser Rundgang durch die Burg Angern um das Jahr 1340 basiert auf einer sorgfältigen Rekonstruktion historischer Quellen, archäologischer Befunde und baugeschichtlicher Analysen. Alle Szenen, Räume und Details wurden unter Berücksichtigung realer Gegebenheiten der mittelalterlichen Anlage entwickelt – etwa der erhaltenen Tonnengewölbe, der typischen Bauweise von Palas, Bergfried und Wirtschaftsflügeln sowie Hinweise aus Inventaren und schriftlichen Überlieferungen. Ziel ist es, nicht nur die äußere Gestalt, sondern auch die Atmosphäre und Lebenswelt einer spätmittelalterlichen Burg erlebbar zu machen – so nah wie möglich an der historischen Realität, doch mit erzählerischer Tiefe. Die Bilder zeigen fotorealistische Rekonstruktionen der Burg Angern um 1350. Sie basieren auf archäologischen Befunden, historischen Quellen und vergleichbarer Bausubstanz – realitätsnah umgesetzt mit moderner KI-Technik.
Die Burg Angern als exemplarische hochmittelalterliche Wasserburg in Norddeutschland. Die Burg Angern zählt zu den wenigen in der norddeutschen Tiefebene erhaltenen Wasserburgen, deren bauliche Struktur, archäologische Substanz und archivalische Überlieferung gleichermaßen außergewöhnlich gut erhalten sind. Obwohl die Errichtung um 1340 chronologisch an der Schwelle zum Spätmittelalter liegt, entspricht die Anlage in ihrer Konzeption, Gliederung und Funktionalität eindeutig dem hochmittelalterlichen Burgentypus. Die Burg vereint in exemplarischer Weise militärische, ökonomische und administrative Funktionen innerhalb eines klar strukturierten und funktional differenzierten Inselburgsystems. Ihre topografische Disposition – bestehend aus zwei künstlich aufgeschütteten Inseln, vollständig umgeben von einem mehrfach gegliederten Grabensystem – dokumentiert eindrucksvoll die strategischen und ingenieurtechnischen Prinzipien des Burgenbaus im mittleren 14. Jahrhundert. Burganlage in Angern mit Vorburg, Hauptburg mit Wehrgängen (orange) und Brücken sowie der Turminsel
Die Vorburg der Burg Angern: Funktionsanalyse und historische Rekonstruktion unter der Annahme mittelalterlicher Vorgängermauern (ca. 1350). Die Vorburg der Burg Angern, wie sie auf einem barockzeitlichen Plan um 1760 dargestellt ist, weist eine markante rechteckige Struktur mit drei langgestreckten Wirtschaftsgebäuden und zwei freistehenden Bauten auf. Auf Grundlage architektonischer Analyse, funktionaler Einteilung sowie typologischer Vergleiche mit anderen mitteleuropäischen Burganlagen lässt sich begründet rekonstruieren, dass die barocken Gebäude auf der Struktur und dem Grundriss einer hochmittelalterlichen Vorburg basieren. Die folgenden Ausführungen widmen sich der Rekonstruktion dieser früheren Vorburg unter der Annahme eines Baubestandes aus der Zeit um 1350. Innenhof der Vorburg Angern mit Wirtschaftsgebäuden (KI-Rekonstruktion)
Die strategische Lage Angerns im Dreißigjährigen Krieg. Angern war zu Beginn des 17. Jahrhunderts Sitz eines ausgedehnten Lehngutes der Familie von der Schulenburg, gelegen an der Grenze zwischen dem Kurfürstentum Brandenburg und den geistlichen Territorien Halberstadt und Magdeburg. Die Burg war Teil eines befestigten Ensembles aus Hauptburg, Vorburg und Turminsel. Ihre Lage machte sie im Kontext konfessioneller Konflikte und durchziehender Heere zu einem militärisch sensiblen Ziel.
Dieses Essay unternimmt den Versuch, die Lebenswirklichkeit im Dorf Angern um das Jahr 1340 nachzuzeichnen – basierend auf überlieferten Urkunden, Inventaren, Dorfordnungen und vergleichenden Regionalanalysen. Es beleuchtet die sozialen Strukturen , das wirtschaftliche Leben , den Alltag der Bevölkerung , und stellt Angern in den Kontext vergleichbarer Dörfer mit ähnlicher Herrschafts- und Wirtschaftsform. Trotz der lückenhaften Quellenlage aus dem 14. Jahrhundert erlauben spätere Ordnungen und bauliche Spuren einen aufschlussreichen Rückblick auf eine Epoche, in der feudale Macht, religiöse Ordnung und agrarische Selbstversorgung das Leben der Menschen bestimmten. Alte Dorfstrasse von Angern im Mittelalter
Die Errichtung der Burg Angern um 1340 – Architektur, Handwerk und Kontext. Die Burg Angern entstand um das Jahr 1340 im Auftrag des Erzbischofs Otto von Magdeburg. Diese Befestigungsanlage war Teil einer territorialpolitischen Sicherungsstrategie des Erzstifts in der südlichen Altmark, nachdem 1336 ein Ausgleich mit dem Markgrafen von Brandenburg erreicht worden war. Die Anlage, gelegen an einer bedeutenden Handelsroute, zählt zu den Wasserburgen des Niederungstyps und zeigt exemplarisch, wie sich Wehrhaftigkeit, Verwaltung und Repräsentation im 14. Jahrhundert architektonisch verbanden.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.