Die im tonnengewölbten Erdgeschoss des Palas der Burg Angern erhaltenen Fensteröffnungen stellen ein selten überliefertes und bauhistorisch besonders aufschlussreiches Element hochmittelalterlicher Kellerarchitektur dar. Sie befinden sich in der östlichen Außenwand der Hauptburg und lassen sich anhand ihrer formalen Ausgestaltung, der baulichen Einbindung in das Mauerwerk sowie der verwendeten Materialien mit hoher Wahrscheinlichkeit in die ursprüngliche Bauphase um 1340 datieren. Als gezielt geplante Lichtöffnungen in funktionalen, nichtrepräsentativen Raumeinheiten belegen sie eine differenzierte Bau- und Nutzungskonzeption, wie sie für wirtschaftlich genutzte Bereiche hochmittelalterlicher Wasserburgen im mitteldeutschen Raum charakteristisch ist.
Fenster des nördlichen Gewölbes
Die zweite Öffnung befindet sich analog im nördlichen tonnengewölbten Raum, weicht jedoch in entscheidenden Punkten von der südlichen ab. Auch hier liegt die lichter Weite bei etwa 40 × 40 cm, und die Laibung besteht weitgehend aus hochkant gesetzten Ziegeln. Allerdings trägt ein äußerer Ziegel die Prägung „Kehnert“, was auf eine industrielle Herstellung im 19. Jahrhundert verweist. Diese Prägung, die Bindungsstörungen zum umliegenden Mauerwerk und eine uneinheitliche Verfugung sprechen dafür, dass das Fenster ursprünglich bauzeitlich angelegt, jedoch im äußeren Bereich später erneuert oder ausgebessert wurde. Die innere Struktur der Laibung entspricht der des südlichen Fensters, sodass von einem weitgehend erhaltenen bauzeitlichen Kern auszugehen ist.
Die innere Laibung ist durch Putzverluste, Ausbrüche und Erosionsspuren gekennzeichnet, die auf anhaltende Feuchtigkeit und sekundäre Nutzungseinflüsse zurückzuführen sind. Trotz dieser Veränderungen bleibt der ursprüngliche konstruktive Charakter der Öffnung erkennbar, sodass von einem weitgehend erhaltenen bauzeitlichen Kern ausgegangen werden kann.
Fenster des südlichen Gewölbes
Diese Öffnung ist als kleine, annähernd quadratische Belichtungsöffnung von etwa 40 × 40 cm ausgeführt. Sie befindet sich asymmetrisch im unteren Drittel des südlichen Gewölberaums und ist damit tief unterhalb der Traufhöhe platziert. Die Laibung besteht aus längs und hochkant gesetzten Handstrichziegeln, die bündig in das umgebende Mischmauerwerk eingelassen sind. Der flach segmentbogige Sturz besteht aus hochkant gestellten Ziegeln. Korrosive Reste in der inneren Laibung belegen die ursprüngliche Verankerung eines metallischen Sicherungselements – vermutlich ein starres Eisenrost oder ein horizontal verankerter Gitterstab. Die Ausführung ist durchweg homogen, ohne Hinweise auf spätere Eingriffe, was die bauzeitliche Datierung stützt.
Sicherungselemente: Im oberen Bereich der Laibung des südlichen Fensters sind beidseitig korrosionsartige Rückstände sichtbar. Die symmetrische Anordnung und die Einbindung in die originale Bausubstanz sprechen für eine historische Verankerung eines Sicherungselements – vermutlich eines geschmiedeten Eisenankers oder eines horizontal durchlaufenden Gitterstabs. Diese Interpretation wird durch vergleichbare Befunde an anderen hoch- und spätmittelalterlichen Anlagen der Altmark gestützt (z. B. Ziesar, Kalbe, Lenzen), wo Kellerfenster regelmäßig mit fest verankerten Eisengittern gesichert waren. Der Einbau solcher Sicherungselemente folgt sicherheits- und nutzungslogischen Erwägungen: Fenster in Bodennähe, insbesondere zur grabenseitigen Außenmauer, stellen potenzielle Schwachstellen im Verteidigungssystem dar und wurden deshalb häufig durch starre Gitter geschützt.
Die Fensteröffnung im südlichen tonnengewölbten Raum des Palas ist vollständig original erhalten und stellt ein exemplarisches Beispiel hochmittelalterlicher Kellerarchitektur dar. Mit einer Größe von etwa 40 × 40 cm, einer segmentbogigen Ziegellaibung und symmetrisch erhaltenen Eisenverankerungen für ein bauzeitliches Sicherungsgitter erfüllt sie sämtliche typologischen Merkmale funktionaler Belichtungsöffnungen des 14. Jahrhunderts.
Die innere Laibung ist intakt, der Putz weitgehend geschlossen, und der konisch eingezogene Verlauf zur Öffnung hin unterstützt eine gezielte Lichtführung. Das Fenster dokumentiert in Form und Ausführung eine unveränderte Primärsubstanz und belegt die wirtschaftlich-funktionale Nutzung des Raumes innerhalb eines geschützten Mauerabschnitts.
Spätere Veränderungen: Einzelne spätere Eingriffe lassen sich auf Detailniveau nachweisen: So sind in einer Fensterbank vermauerte Dachziegel erkennbar, die wahrscheinlich nicht zur Originalausführung gehören. Diese baulichen Überformungen betreffen jedoch nur sekundäre Nutzungsschichten und modifizierte Fensterbänke – nicht die Fensteröffnung selbst.
Fensterform und Position
Die Fenster sind als kleine, annähernd quadratische Öffnungen mit einer lichten Weite von etwa 40 × 40 cm ausgeführt. Sie befinden sich asymmetrisch im unteren Drittel der jeweiligen Gewölberäume: im nördlichen Raum südlich, im südlichen Raum nördlich versetzt. Ihre Lage liegt deutlich unterhalb der ursprünglichen Traufhöhe. Diese Position wurde statisch sinnvoll gewählt: Öffnungen im Scheitelbereich des Tonnengewölbes hätten dessen Stabilität gefährdet, während eine seitliche Anordnung eine sichere Belichtung bei gleichzeitigem Erhalt der Tragstruktur ermöglichte. Die Fenster dienten primär der Lichtzufuhr und Belüftung, nicht der Aussicht oder Kommunikation.
Bemerkenswert ist die gezielte Ausrichtung der Fenster in Fluchtlinie zu den Ein- und Ausgängen des dazwischenliegenden Umkehrgangs. Diese versetzte Anordnung ermöglichte eine indirekte Belichtung des ansonsten fensterlosen Verbindungsgangs. Durch den Tageslichteinfall in die angrenzenden Eingangsbereiche wurde eine minimale Orientierung ermöglicht – insbesondere bei Lagerarbeiten oder Durchgängen. Die bewusste Ausrichtung der Fensterachsen verdeutlicht eine sorgfältige bauzeitliche Planung, welche die Lichtführung funktional optimierte, ohne die klimatischen Bedingungen der Kellerzonen zu beeinträchtigen.
Bauhistorische Einordnung
Die beiden Fensteröffnungen in der östlichen Außenwand des Palas entsprechen in Dimensionierung, Materialverwendung und Lage der Typologie hochmittelalterlicher Kellerfenster, wie sie in wirtschaftlich genutzten Bereichen von Wehrburgen des 13. und 14. Jahrhunderts mehrfach nachweisbar sind. Die Kombination aus kleiner, segmentbogiger Öffnung, asymmetrischer Platzierung unterhalb der Gewölbeanläufe, originaler Ziegellaibung und korrosiven Resten von Sicherungselementen spiegelt eine präzise auf statische, sicherheitstechnische und funktionale Anforderungen abgestimmte Bauweise wider. Die gegenläufige Versetzung beider Fenster innerhalb der Raumfluchten verdeutlicht zudem die gezielte Lichtführung in zentralen, aber sekundären Raumeinheiten.
Während das südliche Fenster vollständig in seiner ursprünglichen Form überliefert ist, weist das nördliche lediglich kleinere Ausbesserungen im äußeren Laibungsbereich auf. In ihrer Gesamtheit belegen die Öffnungen jedoch eine einheitlich konzipierte, bauzeitliche Lichtlösung im Rahmen einer differenzierten Nutzung des Erdgeschosses. Sie stellen damit nicht nur ein seltenes bauhistorisches Zeugnis dar, sondern auch ein wichtiges Indiz für die Authentizität und ursprüngliche Funktion der erhaltenen Gewölbestruktur des Palas.